Wenn ein unbedarfter Mann …

Wenn ein unbedarfter Mann zu Biodanza geht, kann er etwas erzählen…

Werner Weiss, Wolfsburg –  Dezember 2000)

Ich kann nicht tanzen, schon in der Tanzstunde vor gut 25 Jahren habe ich die Kurse doppelt belegt, damit wenigstens etwas herauskommt, dass so ungefähr wie Foxtrott  oder Cha Cha Cha aussieht.

Und nun will ich an 10 Abenden Tanzen lernen; da bin ich ja mal gespannt.

Der erste Abend.

Gespannt sitzen wir alle im Kreis und warten auf dass, was Sabine uns zu sagen hat – es ist gar nicht so viel, von irgendwelchen Schrittfolgen hat sie nicht gesprochen – das kann ja noch was werden.

So, es geht los, wir sollen uns alle bewegen, im Kreis und an den Händen festhalten; Hoffentlich haben meine Nachbarinnen nicht so schweißnasse Hände wie ich, sonst glitschen wir noch auseinander. Na ja, das geht ja schon ganz gut, aber Sabine möchte noch mehr, wir sollen uns anlächeln, die Schönheit des anderen erkennen, den Glanz
in den Augen, der die ganze Schönheit widerspiegelt. Wie um Himmels willen soll ich denn gleichzeitig auf meine Füße schauen und den anderen in die Augen, was haben die davon, wenn ich den Glanz in den Augen meines Gegenüber erkenne, meiner Nachbarin aber unbarmherzlich auf die Füße latsche, dass die nicht mehr weiß welchem Geschlecht sie angehört und Ihre Augen auch sofort glänzen, allerdings vor Tränen.

 Ich schaffe es!!! Ich kann mich so ein wenig im Takt bewegen, in die Augen der anderen schauen und die Füße der Nachbarin bleiben heil. Ich darf mir zwar nicht bewusst machen, was ich da so tanzen nenne, wenn ich so andere ansehe ist das mehr als erbärmlich, was ich hier so zeige, aber es lacht mich aber auch keiner aus oder sagt mir wie ich es richtig zu machen habe, das gibt Mut. 

Irgendwann ist der erste Kreis zu Ende, es folgen Übungen zum Gehen; ha das kann ich, auch wenn ich nicht beim Bund war, gehen kann ja jeder. Dann geht Sabine etwas für uns, das sieht mehr wie gleiten aus, nicht wie gehen, ich bin ganz Ergriffen und sage mir: Das kannst Du nie. Auch hier wieder das gleiche Spiel wie vorher, gehen, die anderen anlächeln, zu zweit gehen (hoffentlich kriege ich jemanden ab), dann zu dritt und gar zu viert. Einige sind zwar genau so schwerfällig gegangen wie ich, ich hörte auch keine Schreie von getretenen Teilnehmerinnen und es hat wieder keiner gelacht, was noch mehr Mut machte.

Ich weiß nicht mehr, was noch so alles dran kam, an diesem ersten Schnupperabend, dem ich beiwohnte. Ich weiß für mich nur eins – Es hat Spaß gemacht – ich weiß nicht warum, aber es war schön.Ich wollte mehr davon und es hat mich auch interessiert, was daran denn nun so schön ist. Also, was macht Mann? Mann meldet sich für 9 Abende Biodanza an.

Der zweite Abend beginnt mit einem Gesprächskreis. Alle erzählen, wie es ihnen seit dem letzten mal ergangen ist, ich erzähle es auch, es ist mir gut ergangen, das tanzen hat mir gut getan. Schon im Gesprächskreis schauen sich wieder alle an, das Wort wird mit der Geste des Händereichens weitergegeben, das hat was, es labert
 auch keiner dazwischen, das ist gut so.

Dann geht es wieder los, diesmal schon etwas lockerer als beim ersten mal, das Lächeln der Teilnehmer(innen) kommt mehr von innen, einige strahlen schon ein wenig. Ich habe auch keine Angst mehr wegen der feuchten Hände. Wie ein alter Dieselmotor komme ich langsam in Fahrt, es fällt mir immer leichter mich zu bewegen, mit jeder folgenden Übung. Sabine tanzt immer erst vor, wie Sie es ausdrückt, damit wir so ungefähr sehen, was wir darstellen sollen, was sie gemeint hat. Es wird immer
schneller, mit den Rhythmen, bis wir irgendwann wieder langsamer werden um uns zu besinnen, die eigene Schönheit zu spüren und bei uns sind – das hat was. Zum Schluss kommt wieder der Abschlusskreis, wo Mann noch mal alles geben kann. Schnell die Klamotten gewechselt und ab nach Hause.

Beim weggehen kann ich erkennen, dass sich einiger sogar schon sehr herzlich auf Wiedersehen sagen, sieht gut aus.

 Der dritte Abend beginnt wie der zweite und alle folgenden mit dem
 Gesprächskreis. Jeder berichtet von den Veränderungen bei sich oder der nähren Umwelt. Was hat sich denn bei mir verändert???? Einiges, dass spüre ich, aber ich kann es nicht ausdrücken.

Was macht denn nun Biodanza mit mir, warum macht das soviel Spaß? Ich weiß es nicht, ich kann nur sagen, dass es mir gut tut.

Dann geht es wieder los, alle stehen schon in den Startlöchern und müssen sich bewegen, Sabine lädt uns schnell zum Mitmachen ein, sonst ginge der Fußboden kaputt. Also stürzen alle los, endlich Bewegung! Das macht wieder Spaß. Wie viele verschiedene Arten des Gehens es gibt, Mann sollt es gar nicht glauben. Wieder der gleiche Aufbau der Vivencia; Anfangskreis, Gehen, verschiedene Tänze, mit immer mehr Power und dann wieder die beruhigenderen Phasen und zum Schluss wieder die Party, die Feier des Abschusskreises.

 Als Schmankerl oder Nachtisch wird noch ein wenig Musik gemacht, viele bleiben noch ein wenig um sich die Kante beim Tanzen zu geben, um gefundene Energien zu entlassen, durch die Vivencia frei gewordene Power abzuhotten.

Komisch, als ich vorhin hier ankam war ich total kaputt, ich hatte schon überlegt zu Hause zu bleiben und nun mache ich hier Tanzüberstunden, echt geil.

Einige Wochen später…

Nun haben wir heute den letzten Abend in diesem Kurs, wir sitzen wieder alle im Kreis und freuen uns auf eine schöne Vivencia. Wir haben viele verschiedene, unterschiedliche Sessions ertanzt und erlebt, haben
 geweint und gelacht, den einen oder anderen Scherz gemacht, wir haben Anteil genommen an den Situationen anderer, haben uns gegenseitig gestützt und gehalten, haben uns gegenseitig Mut zugesprochen, nicht verbal, nur durch aufmunternde Blicke, Gesten, Hände halten oder in den Arm nehmen. Stille Bejahung eines jeden einzelnen hat es immer gegeben, durch zuzwinkern oder anlächeln. O ja dieses lächeln hat alle erreicht, selbst die mit dickem Fell.

Wir haben uns gegenseitig wertgeschätzt, respektiert, angenommen und mit der gebotenen Ehrfurcht behandelt. Sabine hat uns zu jeder Session etwas erzählt, dass unsere Seelen berührte; den Rest haben wir selber geschaffen, indem wir uns eingelassen haben auf „unseren“ Tanz, uns unserer Inneren Führung hingegeben haben, unser inneres Licht erstrahlen ließen.

 Es liegt jedem von uns selbst in der Hand, ob er dieses Licht wieder erlöschen lässt oder weiter zum Leuchten und Strahlen bringt, es durch sein eigenes tun der Umwelt mitteilt, wie gut es ihm geht oder ob er wieder in der Kloake seines vergangenen Lebens zurückfällt und weiter in der trüben Brühe nach dem Licht sucht.

Ich habe viel gelernt, in den letzten zwölf Wochen, meine Frau sagt, dass sich sogar mein Watschelgang geändert hat, ich weiß von mir, dass sich in mir viel geändert hat, was das im einzelnen ist, ist nicht so wichtig, es ist mir sogar egal, dass Ergebnis zählt für mich.

Eins kann ich immer noch nicht sagen; wie funktioniert Biodanza, warum macht das so viel Spaß, was macht daran so glücklich?

Es interessiert mich aber auch nicht mehr; ich genieße jeden Abend mit Biodanza, jeden Abend mit Euch.

 PS: Ich kann immer noch keine Standardtänze, ist ja auch egal, aber vielleicht probiere ich es doch noch einmal, irgendwann, ich bin mir nun sicher ich kann es lernen.

|  Home      |      presseartikel      |